Erinnern sie sich an meine Ermunterung kurz vor dem Jahreswechsel, die stillste Zeit des Jahres für die innere Einkehr zu nutzen? Nun ein halbes Jahr später und kurz bevor es in den Sommerurlaub geht, empfehle ich Ihnen eine ähnliche Übung und ein wenig Urlaubslektüre. Denken Sie doch einmal in Ruhe darüber nach, was es braucht, um mutig genug zu sein, den besten Weg zu suchen und NICHT den ersten Weg zu nehmen, den uns die Angst vorschlägt? Wo in uns sitzt der verlässliche Kompass bzw. der Instinkt für die tatsächlich beste Lösung in einer Situation? Was hilft uns dabei, nicht nur aufgrund des bereits Erlebten zu entscheiden? Mein Rat: Stoßen Sie dafür die Tür zum systemischen Denken ein wenig auf.

Warum bin ich so, wie ich bin? Fragen Sie sich das manchmal oder glauben Sie, dass Ihre positiven, wie negativen Eigenschaften angeboren sind? Glauben Sie mir, das sind sie nicht. In unser aller Leben gibt es Schlüsselerlebnisse, Erziehungserfolge, Aha-Momente, Autoritäten und Geschichten, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Es liegt also weniger in unseren Genen, sondern vielmehr in unserem Gehirn. Wir haben es also in der Hand, unser Verhalten – und damit auch uns – zu ändern.

Wie Sie es auch drehen und wenden: Als Führungskraft sind Sie nicht Teil des Teams – egal, wie gut Sie sich auch mit den Personen, mit denen Sie arbeiten, verstehen. Es gibt das Team und es gibt den Chef bzw. die Chefin. Auch wenn Sie sich hin und wieder wünschen, einfach nur ein Teil der Mannschaft zu sein, anstatt den Kurs vorzugeben, den Kopf hinzuhalten oder Feuerwehr zu spielen, wenn irgendetwas im Team bzw. bei der Arbeitsleistung des Teams nicht passt. Wer würde manchmal nicht gerne an schlechten Tagen einfach in der Masse untertauchen und das Lösen von Problemen anderen überlassen?

Die Wahrheit ist: Führung – egal von wie vielen Menschen – geht unweigerlich Hand in Hand mit einer gewissen Einsamkeit. Vieles liegt bei Ihnen. Und nur bei Ihnen. Dennoch steht hinter allem ein „Wir“, das Sie nicht nur fördern können, sondern welches Ihre Führungsarbeit trotz hin und wieder auftretender Einsamkeit enorm bereichern kann. Doch damit aus dem „Ich und die anderen“ ein „Wir“ werden kann, ist konstante und kontinuierliche Arbeit erforderlich.

Nie war diese Aussage aktueller und eindrücklicher zu erleben als in der jüngsten Vergangenheit. Unsicherheit, Verwirrung, Ablehnung – das politische Management der Corona Krise zeigt ziemlich deutlich auf, was es bedeutet, wenn man auf Gruppen vergisst oder deren Ängste und Bedenken nicht wahrnimmt. War vor einem Jahr noch ein nationaler Schulterschluss zu bemerken, so ist dieser längst im Wirrwarr regionaler Regelungen und unbeständiger Informationen untergegangen. Wie sollen wir ein gemeinsames Ziel, die ersehnte Normalität, erreichen, wenn der Rückhalt in der Bevölkerung längst abgebröckelt ist? Doch was hier im großen Stil negativ auf der politischen Bühne vorgelebt wird, passiert alltäglich in Unternehmen und Teams auf ähnliche Weise.

In Zeiten der Agilität werfen manche Führungskräfte ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst ohne klare Zuordnung ins kalte Wasser – mit dem Ziel, neue Impulse und innovative Erkenntnisse zu gewinnen. Agilität hat jedoch nichts mit einer grundsätzlich distanzierten Haltung zu Funktion, Rolle oder Aufgabe zu tun. Ganz im Gegenteil: Jemand kann nur dann effizient und innovativ handeln, wenn die Rahmenbedingungen wo ich mich bewegen darf klar gesteckt wurden.

Auch wenn der Wechsel von Siezen zum Duzen für Leader keine Rolle spielt, birgt das Du-Wort für beide Seiten mögliche Fallen. Nämlich dann, wenn man das Gefühl für Grenzen verliert und diese vielleicht unbewusst überschreitet. Wie kann ein Kontakt auf Augenhöhe funktionieren, ohne dass er einen negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit hat – etwa auf Autorität, Respekt und den Unterschied an Verantwortung? Wie nahe sollen Leader an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eigentlich dran sein?

Jeder von uns hat seine persönlichen Werte. Sie sind etwas Unumstößliches, das jedem gegenüber entweder gelebt wird oder nicht gelebt wird – vollkommen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, psychischer Beeinträchtigung, sexueller Orientierung und physischer Gesundheit. Es ist also gut, sich bewusst vor Augen zu führen, dass man bei einer festen Grundhaltung keine Unterschiede machen kann, wem gegenüber man sie zeigt und wem gegenüber nicht. Tut man es doch, führt man damit seine Grundhaltung und die eigene Führungspersönlichkeit automatisch ad absurdum. Denn wer Menschen im Team unterschiedlich behandelt, wird sofort unberechenbar, unfair und intransparent.

Müssten wir die Statue eines Leaders entwerfen, wir kämen wohl alle zu einem ähnlichen Bild: ein mutiges, charismatisches Gesicht, der Blick unerschrocken zum Horizont, dynamisch voranschreitend, Siegermentalität. Kurz: Jemand, den man respektiert und auch gern folgt. Doch hinter dem von vielen bewunderten Charisma und der beeindruckenden Standfestigkeit steckt harte Arbeit. Genauer gesagt: Arbeit an sich selbst. Das entschlossene Auftreten vieler Führungspersönlichkeiten beruht auf der simplen Tatsache, dass sie sich ihrem Selbst zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben erfolgreich und allumfassend gestellt haben. Sie waren ehrlich zu sich selbst und werden darum von anderen als glaubwürdig wahrgenommen. Doch kaum etwas ist härter, schonungsloser und oft auch schmerzhafter als die Wahrheit.

„Das einzig konstante ist die Veränderung.“ Dieses berühmte Zitat des griechischen Philosophen Heraklit hat auch zweieinhalbtausend Jahre später nichts an Gültigkeit verloren. Auch wenn niemand mit Sicherheit voraussagen kann, wie etwa Märkte, Wettbewerb und Technologien sich in Zukunft ändern werden, gewiss ist, dass sie sich verändern werden. Als Leader ist man daher gefordert, geistig in Bewegung zu bleiben.

Das österreichische Sprichwort „Durchs Reden kommen ’d Leut z’am“ bringt das Thema Kommunikation auf den Punkt: Reden schafft ein Miteinander. Und auch Führung von Menschen braucht gute Kommunikation – gibt es etwas Offensichtlicheres? Dass das aber nicht immer einfach ist, sehen wir auch in der aktuellen politischen Situation. Ankündigungen hier, Pressekonferenzen dort, divergierende Expertenmeinungen, etc. und das Ergebnis sind Verunsicherung und Unverständnis bei der Bevölkerung.

Wenn also schon die Politprofis ihre Schwierigkeiten damit haben, warum soll es dann bei Führungskräften anders sein? Wen wundert es, dass es sogar Führungskräfte gibt, die von Kommunikation so wenig halten, dass sie glauben, gänzlich ohne sie auszukommen. Natürlich wird geredet – sehr viel über Projekte, Positionen und Personen – aber Kommunikation umfasst weit mehr als das.